Berlin Marathon 2015

2015-09-27:

42nd Berlin-Marathon

 

BERLIN – Der GANZ Normale Wahnsinn

Sonntag 27. September 2015

Bochum. Um 23:10Uhr schalte ich das Licht aus, schreibe noch eine letzte Nachricht an Tanja und schlafe ein.

Zeitsprung in die Vergangenheit

Auf dem Geburtstag meiner Mutter im November wurde mal wieder in der Verwandtschaft bei dem ein- oder anderen Kaltgetränk viel geflachst… Auch wenn ich es nicht wahr haben wollte, so wurde ich mal wieder aus der Reserve gelockt. Das Thema: Marathon. Eigentlich war nach Frankfurt im Jahre 2012 alles klar, dass man sich für so ein Ereignis nicht mehr selbst aktiv begeistern würde! In dieser besagten Nacht fühlten sich allerdings die Beine sehr leicht an und man hätte sofort loslaufen können.

Als Einziger in der Familie, der bisher einen Marathon zu Fuß gelaufen ist, wurde das offene Mundwerk beim Sambucca zum Verhängnis. 😉

Ein früherer Arbeitskollege hatte den Tipp gegeben den Marathon in Frankfurt zu laufen. Rein zufällig wohnte zur damaligen Zeit meine Cousine Steffi in Frankfurt. Leider war sie an dem Tag verhindert und konnte nicht an der Strecke stehen. Mittlerweile wohnt Steffi in Berlin…

Und so kam es dann an diesem Abend im November zur sofortigen Einladung zum Berlin Marathon. Was am Abend noch Flachserei war, war 2 Stunden später aus dem Bett schon die Registrierung für den 42. Berlin-Marathon 2015. Dieses Ereignis wovon die Lauf Welt schwärmt. Wenn man nach 42,195km durch das Brandenburger Tor Richtung Ziel einläuft! Allerdings läuft das in Berlin mit der Anmeldung ein wenig anders ab. Nicht Jeder ist automatisch dabei. Das Teilnehmerfeld ist auf 42.195(!) Läufer beschränkt. So kommt es Ende November zum Losverfahren.

DABEI !!!

Allerdings hat sich der Veranstalter auch nicht lumpen lassen 3 Tage später bereits die Startgebühr von 98€ vom Konto abzubuchen. Verrückt!!

Es ist also angerichtet: Das sportliche Highlight 2015 wird der BERLIN-MARATHON.

Einlagen im Wechselmodus

Das Jahr 2015 hätte nicht „besser“ beginnen können als mit dem 10km Lauf „Rund um den Halterner See“ im Januar. Der orangene Bulli mit den Kollegen Sesi, Jan, Kai und Patrick rollte die A43 hoch zum ersten Auswärtsspiel. Während die anderen vier frohen Mutes davon liefen, schlich sich bei mir ab KM2 die erste schöne Blase ein. Neue Einlagen waren wohl nicht so der Knaller. Anfängerfehler und dann kamen die altbewährten Knieprobleme nach einigen Kilometern noch hinzu. 54Min trotzdem noch eine ganz ordentliche Zeit. Allerdings waren die Knieprobleme wieder da, weshalb im Jahre 2013 der Düsseldorf Marathon gecancelt werden musste.

Demnach wurde im Februar ein Orthopädietechniker aufgesucht, der für die Laufanalyse mit Dioden und Messpunkten stolze 65€ nahm. Man sah deutlich, dass die Schuhe nach außen mehr abgetragen waren und die Füße nicht gerade aufsetzen. Mit Einlegesohlen sollte dies nun verbessert werden!

ASICS Gel Nimbus 17. Nachdem in Frankfurt mit dem 14er Modell gestartet wurde, kam jetzt der neue Schuh auf den Markt und wurde schnellstmöglich zu einem Sonderpreis von 139€ angeschafft.

Siehe da: Mit diesem Wechsel der Schuhe von dem Modell Cumulus auf den Nimbus gingen auch die Knieschmerzen leise und freundlich dahin. Einlagen wurden seit jenen Tagen keine mehr benutzt!!

Das Spiel mit dem Zucker

Wuppertal/ Bergisches Land im April. Der anspruchsvollste 10km Lauf den man bisher im Leben gestartet ist. Das Profil schreibt 360 Höhenmeter vor. Ziel Zeit konnte man vorher schlecht abschätzen:

Samstagnachmittag – Startschuss um 15:30 zur LigaLive Konferenz im WDR Radio. Sesi Szych und meiner Einer machten sich auf den Weg. Nach dem ersten Kilometer flaches Stück auf der Straße geht es in den Wald. Ab jetzt galt es 5Kilometer einfach nur bergauf. Danach ging es wieder runter. Nach 59:59min war das Ziel erreicht. Punktlandung auf eine Stunde.

Großartiges Erlebnis mit einer entspannten Sauna Einheit am Abend.

Diese Läufe sind alle ein gutes Training um in die Form für Berlin zu kommen. Im Hinterkopf weiß man, gut in Frankfurt war die Zeit 4:51 Stunden. Aber wenn das mit dem Trainingsprogramm alles klappt, könnten die 4 Stunden gut möglich sein.

Uni Run in Bochum

Anfang Juni in Deutschland. Das Wetter relativ warm und so nahm ich an der Ein- oder Anderen Veranstaltung teil. Unter Anderem ging es an einem Sonntagmittag zum Bochumer Uni-Run mit Sese. 10km wurden gebucht und somit kam es gleich beim Abholen der Startunterlagen am frühen Morgen bereits zu Konflikten. Die Dame wollte die Unterlagen vom Mitstarter trotz Personalausweis und Einverständniserklärung nicht rausrücken. Eine Studentin war aber im End Effekt doch so freundlich mir die Sachen unter der Theke herzugeben 

Mit 5 Startbeuteln (Toto 5km / und Tom und Till jeweils beim Kids Run, ging ich wieder zum Auto.

13Uhr Startschuss des 10ers. Neffen / Schwägerin und Bruder bereits am Start obwohl deren Läufe erst zu späterer Zeit stattfanden.

4mal die gleiche Runde hieß es und so ging es das erste Mal durch das Parkhaus am Campus hoch und runter durch den Botanischen Garten ehe der lange Anstieg bevor stand.

Nachdem 4.Mal merkte man was man heute erreicht hat. Zeit von 52Minuten alles andere als schlecht. 15 Uhr Start des Kids-Run. Beide Neffen voller Euphorie auf der Strecke… Und wer hätte es gedacht: Von den 150Kindern kam Tom tatsächlich als Erster über die Ziellinie. Till war auch super dabei und alle hatten Spaß. Stolz wie Oskar präsentierten Sie ihre Medaille vor der Kamera!

Zu guter Letzt: eine Stunde später der Startschuss zum 5km Lauf von Toto. Besser als jeder erwartet hätte schlug er sich und kam bereits nach 34 Minuten durchs Ziel. Projekt Halb-Marathon 2016 kann also in Angriff genommen werden.

Dieser 10km Lauf war ein guter Start in die Vorbereitung auf Berlin.

Von Schweden nach Berlin

Tempoläufe / Intervalltraining und ein paar längere Läufe bis max. 19km standen in den kommenden Wochen auf dem Programm. Gleichzeitig sollte Ende Juli noch 10 Tage Schweden neben Urlaub und Erholung auch als Vorbereitung dienen. Mit Laufschuhe – Mountainbikes und der ein oder anderen Angel machten Jens und ich uns mit dem Golf Cabrio auf den Weg Richtung Norden.

Fazit dieses Urlaubes: Ein Fünf-Kilometer Lauf und eine kleine Radtour über Zehn Kilometer mit Tom im Gepäck zum Schloss und wieder zurück.

Fußball wurde auch eher selten gespielt. Das Wetter, welches in den letzten Jahren immer sehr gut war, machte uns einfach einen Strich durch die Rechnung. Daher wurde auch mittags schon mal das ein oder andere Döschen getrunken. Jeden Abend war der Grill an und ein leckeres Getränk gab es auch dabei. Jens hatte zwei neue Freunde fürs Leben gefunden und alle waren glücklich  Nina hat die fünf Kinder überlebt.

Gut erholt konnte man eine Woche später den ersten Halb-Marathon in Gladbeck unter 2h laufen. Nach1:52 war ich bereits im Ziel.

Beim Heimspiel in Bochum am 04.September war ein super Support der Familie, sodass ich diesen Rekord auf 1:51 verbessern konnte.

Allerdings muss man sagen: 3 Wochen vor Berlin und der längste Lauf bisher war 25km.

Vorgabe meinerseits war dreimal Minimum 32Kilometer. Die Zeit war knapp, die nächsten Wochenenden belegt und so ging es dann mittwochs gegen 18 Uhr auf einen Rundkurs in Ehrenfeld / Weitmar / Wiemelhausen. Alle 10Kilometer kam ich am Auto vorbei so dass ich etwas trinken und essen konnte. Nachdem bei km 22 die Musik ausging wurde es anstrengender. Die letzten 5km habe ich nur noch am Sportplatz absolviert. Bei exakt 3 Stunden hatte ich 29Kilometer erreicht, und das hieß Ende für heute… Wenigstens einen langen Lauf in der Vorbereitung.

Nudeln aller Arten

Eine Woche noch bis zum Ereignis des Jahres. Letzter Wochenplan wurde erstellt.

Dieses Mal wollte ich ein wenig auf die Ernährung mal achten. Jeden Morgen um 7 Uhr auf der Arbeit frühstücken, 3 Liter Wasser am Tag zu mir nehmen und genügend kohlenhydrahtreiche Gerichte.

Road to Berlin

Reiner und Rosi Koke machten sich schon früh morgens mit dem Auto auf den Weg nach Berlin. Um 18:28Uhr saßen Frank, Gero und ich im ICE von Bochum aus, um das Projekt abzuschließen. Die Tickets wurden 12 Wochen zuvor für schlappe 19€ eingekauft. Nebenbei schaute man immer noch auf den Live-Ticker Bochum- Kaiserslautern, was der VFL aber mit 1:2 verlor.

22:30Uhr Ankunft Berlin HBF. Erster Stopp: MC Donalds: Erstmal ein schönes fettiges Menü..

Mit dem Schnellbus ging es von dort aus zu Steffis Wohnung.

Zentrale Lage bei km8 an der Marathon-Strecke.

Es wird noch ein wenig gequatscht und dann ist auch der Anreisetag bereits um.

Samstag in der Früh ging es zum Sony Center um mit den Eltern gemeinsam zu frühstücken. Letzter Tag vom sogenannten „Carbo-Loading“: Müsli / Obst / Weizenbrötchen viel Süßes von Nutella über Marmelade war eine gute Mischung.

Tempelhof: Marathon-Messe auf dem alten Flugplatz. Grandios diese Schlange um die Startnummer abzuholen. Nach 45 Minuten endlich die Unterlagen in der Hand. Glücklich ein kleiner Teil einer großen Sache zu sein. 2 Erdinger Alkoholfrei noch und schon hat man das Messe-Feeling intus.

Mit der U-Bahn ging es weiter zum Nollendorfplatz um Eltern abzuliefern.

Frank und Gero fanden es dann schön eine Sightseeingtour von dort aus zu Fuß zu machen… Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, allerdings als völlig ahnungsloser Berlin-Experte zeigte ich

Ihnen die tollsten Gebäude mit den bestmöglichen Geschichten ;-).

15:30Uhr dann der Start für den Inliner Marathon. Vor Steffis Wohnung machten sich Gero und Frank mit ein paar Pils gemütlich. Bei mir standen 1,5Liter Wasser auf dem Programm: Wichtig ist es nicht vor einem Start viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, sondern bereits einen Tag vorher. Abends gab es dann bei Marlies ( Cousine von Mutter Koke ) Pesto alla Schotten-Maik. Man saß in der Idyllischen Küche und ließ es sich schmecken… Dabei wurden Wege besprochen, wie man als Zuschauer am Schnellsten von km 8 nach km 15 kam usw.

Gegen 23 Uhr dann endlich wieder in der Wohnung gewesen. Der Wecker wurde für Sonntagmorgen gestellt. Startschuss 9Uhr: 7:00Uhr aufstehen angesagt.

Nach der ein oder anderen Viel Erfolgs WhatsApp, aufladen der Lauf-Uhr hieß es dann aber Gute Nacht!

Wettkampf

Sonntag 27.09.2015: Mit dem Klingeln des Weckers ging ich unter die Dusche. Exakt wie in Frankfurt vor 3 Jahren stand auch an diesem besagten Sonntagmorgen um 7:00 Uhr Formel 1 auf dem Programm / Vielleicht ein gutes Zeichen? Die Startnummer wurde am Laufshirt befestigt. Wie bei jedem Wettkampf hieß es: rotes Kurzarmshirt (SK), schwarze Radler, und Kompressionsstrümpfe (heute in den Farben blau-türkis). Der Chip war vom Halb Marathon in Bochum noch am Schuh befestigt. Gefrühstückt wurde eher sehr flau. Gero reichte mir das ein oder andere Toast mit Nutella und Marmelade. Irgendwie musste es ja in den Magen gehen ehe man sich um 8:15Uhr auf den Weg zur S-Bahn machte. So langsam stieg die Aufregung und Nervosität. Unterwegs sah man viele Läufer die alle zum Brandenburger Tor bzw. zur Straße des 17. Juni strömten um in den Startbereich zu gelangen.

Block H / 08:55Uhr: Jogginghose und Jacke wurden ausgezogen, die Mütze durch eine mit Funktion getauscht. Die Schuhe zugebunden und dann noch ein letztes Foto gemeinsam mit Gero und Frank.

Diese beiden machten sich wiederum auf den Weg zu Km8 – Km9 wo Eltern bereits warteten. Aber zurück zu Block H. Temperaturen lagen bei ungefähr 7-8 Grad – Tendenz steigend. Wetter bombastisch. So langsam ging hinter dem Brandenburger Tor im Rücken die Sonne auf.

Gegen die Kälte gab es noch eine sich ähnelnde Mülltüte in Gelb.

So… Und nun stand man also dort, wofür man die letzten Monate trainiert hatte.

9:00 Uhr der Startschuss ist gefallen. Allerdings erstmal nur für die ersten Läufer.

Man fängt an sich leicht auf der Stelle zu dehnen, leicht zu hoppeln um hauptsächlich in Bewegung zu bleiben. Musik ertönt durch die Lautsprecher. Animation um in Bewegung zu bleiben… die Hände von rechts nach links. Und alle machen mit. Wahnsinns-Gänsehautmomente bereits vor dem Start.

Das Handy war bereits wieder im Beutel bei Frank und Gero. Zum Laufen hatten Pütti und ich uns die Garmin Forerunner 225 spontan an einem Mittwochnachmittag zum Preis von 240€ geholt…. Schnapper 😉

Nach 30 min ging es im Startbereich ein paar Meter nach vorne.

9:35 Uhr. Ich zog meine gelbe Mülltüte wieder aus und der erste Gedanke: Schon ein bisschen frisch. Die Gedanken hoffentlich halte ich durch/ was ist wenn ich nicht ankomme sind komplett verflogen. Man weiß man hat, auch wenn nicht ganz so wie gewollt, dennoch ordentlich die Vorbereitung überstanden. Ausbaufähig ist immer 😉

Um Punkt 9:40 Uhr ist es dann soweit. Der erste Schritt auf der Matte ist getan und die Zeit fängt an zu laufen. In der Berlin-Marathon APP ist jetzt bei der Startnummer 19981 der Status auf aktiv gesetzt worden. Bei allen anderen die 40 Minuten jetzt aktualisiert und damit ihren Akku belastet haben, eine dicke Entschuldigung.

Die ersten Meter gehen sehr träge zu. Man läuft im Tempo zwischen 5:55min/km – 6:05min/km. Man versucht über die Bordsteine Leute zu überholen, allerdings wurde dieses Vorhaben ab km3 eingestellt weil es einfach zu kraftaufwendig ist. Nach 3 km hatte man sein Tempo gefunden und versuchte einen Laufpartner ausfindig zu machen. Paolo aus Mexiko war einer der sich ebenfalls dem Tempo anpasste. Bei km 24 hatten wir uns das letzte Mal gesehen. Gesprochen wurde nicht viel… Eigentlich gar nicht! Und eigentlich sah er auch nur aus wie Paolo aus Mexiko…man weiß es nicht.

Kilometer 5: nach 30:32min sind die ersten 5km erreicht. Alles voll im Soll. Läuft gut. Der erste Getränkestand wurde soeben passiert. Ganz entspannt mit dem Becher in der Hand gehen und wieder los laufen. Kilometer 7 wäre beinahe das erste Unheil am Tage passiert. Höhe des Reichstags hatte eine Läuferin den Drang mich hinten herum zu überholen. Dabei schaffte sie tatsächlich meine Beine so wegzuziehen dass ich mal kurz in der Luft schwebte… Sie entschuldigte sich und es ging ganz normal weiter.

Kilometer 9: Rechts am Rand steht Frank mit Handy für Fotos – Snickers und Energie Gel. Ich schnapp mir das Gel (Geschmacksrichtung wie Amaretto Apfelsaft. Ohne Nachtrinken.) 50m weiter stehen Gero Mutter und Vater. Den Spruch läuft alles perfekt heute klemme ich mir zu diesem Zeitpunkt noch. So langsam wird es wärmer. Aber ich bin meiner Linie noch treu. Kilometer 10 erreiche ich bei 1:02:11. Immer noch im 6er Schnitt unterwegs. Aber es wird ein langer Tag bleiben. Alexanderplatz rechts liegen gelassen. Die anderen vier sind bereits auf dem Weg zu Kilometer 15. Perfekt so eine Unterstützung zu haben. Wieso noch genau gibt es später zu erfahren. Lange Kurve am Cottbusser Tor und man hört Frank am linken Straßenrand rufen. Die Strecke ist immer noch so voll dass es schwierig ist an das zweite Gel am heutigen Tage zu kommen. Aber es klappt. Eltern sehen mich in letzter Sekunde noch. Nächster geplanter Treffpunkt ist 21-22. Allerdings auch der knappste von allen.

Wie sie es dahin schaffen wollen, bleibt mir ein Rätsel. Vorher noch Eltern bei Marlies wieder rauslassen.

Nächster Getränkestand bei KM19. Paolo bleibt neben mir stehen und trinkt auch ein Becher Wasser. Der Mexikaner mit den Brasilianischen Wurzeln läuft mittlerweile im Gleichschritt.

Nach 21Kilometern ist der Halb Marathon, die Erste Hälfte geschafft. …ja richtig die erste Hälfte. Ausschau halten nach Frank und Gero. Haben sie es doch nicht geschafft? Der Zeitplan mit der U-Bahn war extrem eng. Jedoch ist die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Über die APP sehen sie immerhin dass ich die Halb-Marathon Marke bereits passiert habe. Km23 nehme ich mir endlich die Zeit was ich schon seit 6 km vor mir herschiebe und lege eine kurze Pause ein um meine Blase zu entleeren. Gut gelaunt geht es danach weiter. Da bisher alles noch im 6er Schnitt läuft plane ich die 4:15:00 noch als Ziel Zeit an. Durch das Sponsoring bin ich auf 1700€ gekommen. Keine Ahnung wie man jetzt gerade auf solche Gedanken kommt. Im Kopf ratter ich gerade einmal die Liste herunter.

Gleichzeitig bin ich zurzeit beim Lied „Das ist dein Leben“-von Philipp Dittberner. Da man (zumindest offiziell) keine Kopfhörer dabei haben darf, habe ich meine eigene Liste mit Musiktiteln im Kopf.

Wasserstand bei km25: Zeit liegt bei 2:36:39. 2 Becher Wasser. Flüssigkeitsmangel macht sich zum ersten Mal bemerkbar. Zwei Kilometer später dann Gero und Frank an der Seite. Gero hat mittlerweile meinen Trainingspulli an und ist somit besser für mich erkennbar. Allerdings ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich nicht mehr schnell unterwegs bin und die letzte Getränkestation Spuren hinterlässt. Frank meint zwar ich sehe noch gut aus, allerdings kann ich das nicht mehr so unterstützen. Eine Kurve weiter verschlägt es mich mit ein wenig Übelkeit hinter die nächste Hecke.

Das neue Power Gel kann ich zurzeit nicht zu mir nehmen. Zwei Minuten später bin ich dann wieder zurück auf der Strecke. Ab jetzt beginnt die Qual der Wahl. Bis km30 versuche ich mich irgendwie durch die Reihen zu schleppen. 03:12:00 die aktuelle Zeit und alle anderen wissen noch durch den Sensor beim Kilometerstand das ich noch dabei bin. Die Übelkeit ist wieder gegangen allerdings kommen jetzt die kleinen Wehwehchen was rechtes Bein und Rechtes Knie angeht. Alle 5km werden jetzt liegen Angeboten mit Massagen. Mein innerer Kollege sagt, wenn du dich einmal hinlegst, stehst du nicht mehr auf. Und so fange ich an mir Berlin ein wenig genauer anzuschauen. Ich gehe wortwörtlich 500m mal spazieren. Und das schon bei km30. Meine Einstellung ist jedoch sehr positiv. Ich lache die Zuschauer an und fange an mit denen zu spaßen und zu quatschen. Dann setze ich mich wieder in Bewegung. Zähle die Kilometer rückwärts runter. Noch 12..

Nächster Spaziergang war für km32 angedacht. Am Rand jedoch solche Menschenmassen das ein Anhalten und Gehen gar nicht in Frage kam. Selbst die Schmerzen lassen mich gerade weiterlaufen.

500m später dann Gero und Frank guter Laune am Rand. Perfekter Zeitpunkt die völlig überfällige Geh Pause einzubinden. Mit einem gemeinsamen Selfie schließen wir den Kilometer 32 ab. Dabei wird entspannt getrunken und ein wenig geredet und abgelenkt. Zwischendurch eine Musikkapelle wo ich klatschend vorbeigehe! Man Sebastian bist du bescheuert was du hier machst… aber irgendwie auch witzig. Km33 müssen die Jungs wieder in die U-Bahn. Mein Weg geht weiterhin über die Straße. Bis km35 schaffe ich mal wieder 2km am Stück zu laufen auch wenn das Tempo nicht mehr das schnellste ist. 3:55:32 die aktuelle Zeit als ich den Kurfürstendamm erreiche. Man soll den Lauf auch mal ein wenig genießen und so überlege ich mir doch glatt den nächsten Kilometer zu gehen. Von der Laufhaltung der letzten vier Stunden könnte man meinen ich wäre der Glöckner von Notre Dame. Mein Rücken sagt nichts anderes mehr!!! Vorbei an der Kathedrale – am Nike Store, wo Laufschuhe verkauft werden. Was für bekloppte Leute die sich sowas kaufen sind meine Gedanken. Der Atem wird schwerer. Ob das mit dem neuen Ohrwurm ab Km34 „Atemlos“ zu tun hat, ist mir nicht so bewusst. Textsicherheit war aber immer noch gegeben. Eltern stehen wartend bei km36 mit einer Kamera in der Hand und denken ja jetzt gleich kommt unser Sohn vorbei gerannt… Den Zahn konnte ich Ihnen schnell ziehen als ich die nächste Hecke aufsuchte. Noch 6km und der Körper sagt gerade mal NO WAY. Aber irgendwie muss es ja weitergehen. Du willst diese Scheiss Medaille. Diese Urkunde das du es doch geschafft hast. Aber noch mehr: Du willst durch das Brandenburger Tor laufen. Dieses Feeling ergattern wovon so viele berichten. Und doch bist du jetzt schon vier Stunden und paar kaputte unterwegs und der Erste ist bereits frisch geduscht in Kenia gelandet…

Vater und ich laufen jetzt zusammen. Perfekte Unterstützung zur richtigen Zeit. Bei mir geht nichts mehr… zumindest nicht mehr viel. Er versucht mich mit Worten aufzubauen, mit Gesprächen abzulenken. Mutter versucht uns zu folgen. Ich sage des Öfteren, er solle ruhig bei Mutter bleiben und in 2 Stunden am Brandenburger Tor sein. Gerade kann ich mir nicht vorstellen dort jemals anzukommen. Normalerweise im Training laufe ich die 6km in 29Min. Heute nach 36km nicht annähernd überhaupt der Gedanke daran. Froh über die Gewissheit, dass Vater bei mir bleibt. Mittlerweile setzen wir schon zum kleinen Jogging Tempo an. Am Horizont erscheint bereits das Schild mit der 37. Völlig am Boden hänge ich an der nächsten Laterne. Die Sonne knallt ganz gut! Wo sind wohl Frank und Gero gerade??

Wir laufen weiter. Leute die am Rand rufen, Sebastian gleich hast du es geschafft gibt es genüge. Definiere gleich: ein Zeitraum der „von hier bis unendlich“ geht – nächstes Lied – nächster Ohrwurm… Frank und Gero kommen bei km38 uns entgegen. Die Versorgung mit Getränken kommt genau richtig von Ihnen. Vater wartet am Sony Center auf Mutter und Frank, Gero und ich starten eine Jogging Einheit. Meiner Einer in Laufsachen, die beiden anderen in Jeans und dicken Jacken. Frank biegt bei 39 Richtung Brandenburger Tor ab. Gero und ich laufen uns in einen richtigen Rausch. Immerhin haben wir mal wieder die 10-12km/h erreicht. Wir reden dabei als wenn es ein ganz einfacher Trainingslauf wäre. Lachend am Flachsen über frühere Zeiten. Über Gott und die Welt.

Perfekte Ablenkung bei km 40 die man sich nur vorstellen kann! Gleichzeitig läuft man an so vielen Leuten vorbei die am Gehen sind… Ok die wissen ja auch nicht das ich die letzten 10 km auf ruhig die ein oder andere Streckenabsperrung aufgesucht habe für ein kurzes Päuschen. Ich versuche den Ein- oder Anderen Läufer zu motivieren und weiter zu laufen.

Mittlerweile klettert Gero über einige Absperrungen um neben der Strecke zu bleiben. Über seine Navigation teilt er mir bei km 41 mit, dass es sich noch um eine rechts und eine Linkskurve handelt.

1,195km grob sind es noch bis zum Ziel. Blick auf die Uhr. 4:51… 9Minuten noch Zeit um immerhin unter 5:00:00 zu bleiben. Die Vorstellung vorher war eine andere. Allerdings nach diesem Verlauf des Marathon ein großartiges Gefühl es gleich geschafft zu haben. Die letzte Linkskurve…

In weiter Ferne sieht man bereits das Brandenburger Tor. Was für Menschenmassen!! Gero macht noch 2-3 Fotos vom Rand aus. 200m später gibt es für Ihn leider kein Weiterkommen mehr. Alles ist abgeriegelt.

Dort taucht auch plötzlich Frank aus der Seitenstraße auf! Ich nehme mir die Zeit und halte noch einmal an. Gehe zum Zaun und umarme die Beiden Jungs!!! Ohne Sie und auch ohne meine Eltern heute wäre ich nicht an diesem Kilometerpunkt 42 angelangt!!!

Ich sage Ihnen bis gleich… 10 Sekunden später fällt mir ein. Gut das hier 100.000 Leute rumlaufen. Aber wo war denn überhaupt gleich der Treffpunkt… Egal. Steil geht es aufs Brandenburger Tor zu. 50m später bin ich durch. Tribünen und Zäune alle voll von Menschenmassen!! Ein Blick nach links und zufällig erkenne ich meine Eltern in der 3. Reihe stehen!! Ich winke Ihnen mit einem Lächeln zu und bin den Tränen nahe.

Klankgkarussell – Netzwerk. Dieses war kein Ohrwurm sondern der Song bei dem ich über die Straße des 17. Juni in Richtung Ziel laufe. Ein letzter Blick noch auf die Uhr. Beflügelt von den Rängen laufe ich über den Teppich im Zielbereich!

Geschafft!!

Nach 4:59:25 Stunden bin ich im Ziel!